Meine Urururgroßmutter Anna Stumpp wurde am 10. September 1819 morgens um drei Uhr in Unterensingen geboren. Anna war das zweite Kind von Michael Stumpp und Anna Barbara Neuffer. Ihr älterer Bruder Christian war noch keine zwei Jahre alt, als Anna zur Welt kam und nach ihr folgten noch neun weitere Schwestern, von denen leider einige sehr früh gestorben sind.
Um 1820 lebten etwa 800 Einwohner in Unterensingen, die meisten waren Bauer und Fischer. Annas Vater Michael war Schmied und wurde ab 1823 Schultheiß von Unterensingen. Die historische Flurkarte von 1824 zeigt, wie klein der Ort im Vergleich zu heute war.
Noch am Tag ihrer Geburt wurde Anna getauft. Die Taufe hat vermutlich Pfarrer Dorn durchgeführt, der zu dieser Zeit Pfarrer in Unterensingen war (Quelle). Taufpaten wurden Christian Riempp, Bauer, sowie Anna, Gottlieb Melchingers Ehefrau. Beide Taufpaten tauchten bisher nicht im Stammbaum auf. Bei Christian Riempp scheint es sich um einen Freund der Familie und angesehenen Unterensinger Bürger gehandelt zu haben. Zu ihm habe ich keine direkte Verwandtschaft gefunden.
Zu Anna Melchinger konnte ich zunächst nichts finden. Daher habe ich nach Hinweisen über sie in den Taufregistern von Anna Stumpps Geschwister gesucht, da Geschwister häufig die gleichen Taufzeugen erhielten. Bei Christian, Annas älterem Bruder, wurde Anna nicht nur als Gottlieb Melchingers Ehefrau beschrieben, sondern auch als geborene Fehleisen. Anna Fehleisen war die angeheiratete Tante von Annas Vater Michael.
Anna besuchte sicherlich ab ihrem sechsten Lebensjahr, wie alle anderen Kindern, die örtliche Schule. Nach sieben Jahren endete die Schulzeit mit ihrer Konfirmation. Am 21. April 1833 wurde Anna mit dreizehn Jahren konfirmiert. Es handelte sich um dem zweiten Sonntag nach Ostern. Ihr Vater wird im Konfirmationsregister nun als Schultheiß beschrieben. Die Konfirmation hat vermutlich Carl Heinrich Sturm durchgeführt, der von 1828 bis 1835 Pfarrer in Unterensingen war (Quelle).
Während Annas gesamter Kindheit starben viele ihrer Geschwister. In den Jahren 1827, 1832, 1836 und 1838 starben vier ihrer Schwestern nur wenige Wochen oder Tage nach der Geburt. Da Annas Vater Schmied war, wird sie vermutlich nicht so viel bei den täglichen Arbeiten geholfen haben, wie Bauernkinder. Ich erinnere mich an die Erzählungen meines Opas, dass die Bauernkinder in den Schulferien immer auf Hof und Feld helfen mussten und ihre Schulkameraden beneideten, deren Eltern keine Bauern waren. So konnte Anna hoffentlich eine zeitgemäße glückliche Kindheit erleben. Wo genau Anna wohl aufgewachsen ist? Vielleicht finde ich in Zukunft noch raus, in welchem Unterensinger Haus Anna geboren wurde und ihre Kindheit verbrachte…
Am 19. Juni 1838 heiratete Anna mit 18 Jahren den zehn Jahre älteren Johann Jakob Kottler.
Johann Jakob wurde am 12. Februar 1809 nachts um 21 Uhr in Unterensingen geboren. Seine Eltern Johann Jakob und Helena waren reiche Bauern, er war außerdem Mitglied im Gemeinderat.
Am 14. Februar wurde der junge Johann Jakob von Vicarus Bek getauft. Auch Johann besuchte vermutlich die örtliche Schule und wurde konfirmiert. Dem Heiratsregister ist zu entnehmen, dass Johann Jakob in die Fußstapfen seines Vaters trat und Bauer war. Die Familien Kottler waren reiche und angesehene Bauern in Unterensingen, so bat es sich vermutlich an, dass die Tochter des Schultheiß den Sohn eines angesehenen Mitglieds des Gemeinderates heiratete.
Die Proklamation, also Ankündigung der Heirat, fand an Pfingsten, sowie den beiden folgenden Sonntagen statt. Im Jahr 1838 waren das der 3., 10. und 17. Juni. Die Trauung der beiden hat Pfarrer Hofmann durchgeführt, der von 1837 bis 1857 Pfarrer in Unterensingen war. Wo die beiden wohl zusammen gewohnt haben? Normalerweise lebten die verheirateten Kinder in einem der beiden Elternhäuser. Später übernahm die jüngere Generation dann den Hof und die Arbeiten komplett.
Am 3. April 1839 bekamen die beiden eine Tochter namens Barbara. Barbara heiratete später Urban Kottler, den reichsten Bürger Unterensingens.
Drei Jahre später, am 10. April 1842 wurde ihre zweite Tochter Christine Helene geboren.
Die beiden Kinder waren noch sehr jung, als ihr Vater Johann Jakob am 20. November 1844, morgens um acht Uhr an Lungenschwindsucht starb. Bei der Lungenschwindsucht handelte es sich um eine schwere Krankheit der Lungen. Neben Husten und Bluthusten wurde die Krankheit von Schwäche, Appetitlosigkeit und Nachtschweiß begleitet. Zwar hätte die Krankheit bei schnellem Handeln auch geheilt werden können, verlief jedoch meist chronisch und konnte sogar in manchen Fällen mit hohem Fieber zum schnellen Tode in nur wenigen Wochen führen (Quelle). Wie lange genau Johann Jakob unter der Krankheit litt, ist mir nicht bekannt. Er starb in einem Alter von nur 35 Jahre und 9 Monaten. Seine Beerdigung fand zwei Tage später, am 22. November um 10 Uhr in Unterensingen statt. Für Anna muss diese Zeit mit zwei kleinen Kindern sehr schwer gewesen sein. Ich hoffe, dass ihre Eltern und ihr Schwiegervater ihr in dieser schweren Zeit geholfen haben.
Bereits 1846 heiratete Anna erneut. Am 17. März ging sie mit Daniel Kemmner, meinem Urururgroßvater eine zweite Ehe ein.
Auch Daniel war Bauer. Daniel war der zweite Sohn von insgesamt elf Kindern von Matthäus Kemmner und Katharina Gähr und wurde am 23. August 1821 vormittags um 10 Uhr in Unterensingen geboren. Am nächsten Tag wurde er von Pfarrer Dorn getauft. Seine beiden Taufpaten waren Jacob Mayer aus dem Gemeinderat aus Unterensingen sowie Maria Magdalena, Gottlieb Gährs ledige Tochter. Wie die Beziehung von Daniel und seinen Eltern zu den beiden aussieht, konnte ich leider nicht finden.
Daniel hatte sechs Brüder sowie vier jüngere Schwestern. Die Bauernkinder mussten sicherlich bei den täglichen Bauernaufgaben mithelfen. Als einer der Ältesten musste Daniel sicherlich die schwereren Aufgaben erledigen, hat aber hoffentlich Unterstützung von seinen Brüdern erhalten.
Im Jahr 1835 wurde Daniel konfirmiert und beendete damit auch seine siebenjährige Schulzeit. Die Konfirmation fand am Tage Quasimodogeniti statt, dem Weißen Sonntag, welcher eine Woche nach Ostern gefeiert wird, es handelte sich um den 26. April 1835. Da Daniel, wie sein Vater, Bauer wurde, half er vermutlich nach seiner Konfirmation täglich bei den anfallenden Aufgaben mit.
Elf Jahre nach Daniels Konfirmation heiratete er dann am 17. März 1846 die Witwe Anna Kottler (geb. Stumpp). Daniel war 24 Jahre, Anna war 26 Jahre. Im Heiratsregister ist ein Dispens eingetragen, dabei handelt es sich um eine amtliche Ausnahmeerlaubnis zur Heirat. Ein solches Dispens wurde im 19. Jahrhundert recht häufig für entfernt blutsverwandte Paar erteilt. Den genauen Wortlaut des Eheregisters kann ich leider nicht entziffern, die Recherchen und Überlegungen mit meiner Familien haben ergeben, dass Anna vermutlich eine Erlaubnis benötigte, da sie vor Ablauf der zweijährigen Trauerzeit erneut heiratete. Die Hochzeit wurde von Pfarrer Hoffmann in Unterensingen durchgeführt. Auch nach dieser Eheschließung frage ich mich, wo die junge Familie mit den beiden Kindern aus erster Ehe wohl gelebt hat?
Am 7. Mai 1847 kam der gemeinsame Sohn Christian, mein Ururgroßvater, auf die Welt. Bis jetzt hatte ich angenommen, dass Daniel der einzige Sohn von Daniel und Anna war. Als ich heute jedoch auf den Familieneintrag im Kirchenbuch stieß, fand ich heraus, dass er zwei weitere Geschwister hatte: Der zweite Sohn Daniel wurde 1849 geboren, stab jedoch bereits wenige Tage nach seiner Geburt.
Leider starb am zur gleichen Zeit etwa auch Christiane Helene, Anna’s zweite Tochter aus erster Ehe, an Auszehrung. Auszehrung beschrieb damals einen Kräfteverfall, häufig handelte es sich um Schwindsucht, an der bereits Christianes Vater gestorben war.
Das dritte Kind von Daniel und Anna war Anna Catharina, die 1857 geboren wurde und bisher mir völlig unbekannt war. Nach ihr werde ich nun weiter forschen.
Im Jahr 1863 baute Daniel ein großes Haus unterhalb der evangelischen Kirche in der heutigen Nürtingen Straße in Unterensingen. Bevor die Straßen in Unterensingen umbenannt wurden, lautete die Adresse des Hofes In der Boide 172. Ich weiß jedoch leider nicht, ob dieser Straßenname auch 1863 schon bestand. Mein Opa erinnert sich, dass das Haus sehr schön und groß war und einen herrlich großen Garten mit Pflaumen- und anderen Obstbäumen hatte.
Noch heute ist jedoch die originale Beschriftung über der Haustüre gut zu lesen, die auf den Erbauer Daniel Kemmner, meinen Urururgroßvater, sowie das Baujahr 1863 hinweist. Ich wüsste gerne, wie es dort Ende des 19. Jahrhunderts bei Daniel, Anna und ihren Kindern aussah.
In der Biografie über den Maler Gustav Kemmner, findet sich auch ein Hinweis über seinen Vater Christian und seinen Großvater Daniel, den Erbauer des Hauses. „Christian und sein Vater Daniel Kemmner versicherten 1875 Vermögenswerte in Höhe von 2850 Gulden. Das entsprach 5630 Mark, die Marktwährung wurde 1875 eingeführt. Zum Vergleich: Der Wert einer Kuh wird in dieser Zeit mit 150 Mark angegeben. Christian und Daniel nahmen im Hinblick auf den angegebenen Vermögenswert, der nur Gebäude und Einrichtungsgegenstände umfasste, einen Spitzenplatz unter den Gemeindebürgern ein. Die Vermögensausgabe ist überliefert, weil der Gemeinderat sie begutachtete und in einem förmlichen Beschluss feststellte. Das war ein allgemein übliches Verfahren in dieser Zeit“ (Hergenröder (2004). Gustav Kemmner). Wie Daniel und seine Familie als Bauern wohl so wohlhabend wurden? Sie mussten viel geschuftet und sehr sparsam gelebt haben. Vielleicht hat auch ihre geringe Anzahl an Kindern dazu beigetragen? Statt nicht unüblichen zehn Kindern, mussten Anna und Daniel zunächst drei, nach Christianes Tod nur zwei Kindern versorgen.
Daniel starb am 10. März 1889 abends um 22 Uhr mit 67 Jahren, 6 Monaten und 17 Tagen (so im Sterberegister vermerkt) in Unterensingen an Brustleiden. An anderer Quelle wird beschrieben, dass er an Wassersucht starb. Schon 1857 wurde die Wassersucht jedoch nicht als Krankheit, sondern nur als Krankheitserscheinung angesehen und beschreibt die Ansammlung von Wasser in Geweben und Organen (Quelle). Vermutlich litt Daniel an Wassersucht in der Brust. Leider ist nicht bekannt welche Krankheit die Wassersucht auslöste. Ich hoffe er musste nicht lange leiden und konnte glücklich auf sein Leben zurückblicken. Drei Tage nach seinem Tod wurde Daniel in Unterensingen beerdigt.
Drei Jahre nach ihrem Mann, starb auch Anna am Sonntag, den 22. Mai 1892 morgens um vier Uhr im Alter von 72 Jahren. Im Sterberegister wird keine Krankheit genannt, obwohl dies zu der Zeit üblich war. Daher hoffe ich, dass sie einen natürlichen Tod gestorben ist. Sie wurde am Dienstag, den 24. Mai 1892 nachmittags um 13 Uhr beerdigt.
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